Direkt zum Inhalt

Aus der ZeitschriftPflegerecht 1/2020 | S. 71–72Es folgt Seite №71

Interview mit...

Andreas Petrik lic. iur., Rechtsanwalt in St. Gallen und in Winterthur

Lieber Andreas

Du bist im Sommer 2019 zum Redaktionsteam der Zeitschrift «Pflegerecht» gestossen. Was ist bzw. war deine Motivation, Zeit und Energie für diese neue Funktion nebst deiner Tätigkeit als Rechtsanwalt und verschiedener Lehraufträge einzusetzen?

An der Zeitschrift «Pflegerecht» gefällt mir besonders, dass sie sich nicht ausschliesslich an Juristen, sondern auch an Personen richtet, die in der Pflege tätig sind. Durch die Mitarbeit im Redaktionsteam der Zeitschrift «Pflegerecht» habe ich die Möglichkeit, die Fragen, die mir in der Praxis begegnen, einem breiteren Publikum zugänglich machen. Ich hoffe natürlich, dass damit praxisnahe Beiträge entstehen, die bei der Leserschaft auf Interesse stossen.

Als Rechtsanwalt vertrittst du auch immer wieder Pflegefachleute in arbeits- und/oder sozialversicherungsrechtlichen Streitigkeiten. Um welche Fragestellungen geht es bei diesen Rechtsvertretungen?

Es gibt einige «klassische» arbeitsrechtliche Fragestellungen. Dazu gehören etwa der Inhalt eines Arbeitszeugnisses, die Rechtmässigkeit einer Kündigung, die Freizeitkompensation von Überstunden- und Ferienguthaben bei erfolgter Freistellung sowie Rückzahlungsverpflichtungen aus Weiterbildungsvereinbarungen. Da viele im Bereich der Pflege tätigen Personen bei staatlichen Institutionen beschäftigt sind und eine Kündigung in der Regel einen sachlichen Grund voraussetzt, stellt sich regelmässig die Frage, ob ein solcher im konkreten Fall vorliegt oder nicht. Im Versicherungsrecht handelt es sich in der Regel um Fragestellungen, die Arbeitnehmende aus allen Berufssparten gleichermassen betreffen können, wie etwa Taggeldansprüche bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit oder die Anerkennung eines Ereignisses als Unfall im Rechtssinne.

Mit welchen Herausforderungen haben insbesondere selbständig arbeitende Pflegefachleute zu kämpfen?

Zumindest in gewissen Kantonen besteht nach wie vor ein Problem bei der Abgeltung jenes Anteiles der Kosten, der durch die öffentliche Hand zu tragen ist. Da das Bundesgericht entschieden hat, dass die Übernahme des Kostenanteils durch die öffentliche Hand – sogenannte Restkosten – von weiteren Voraussetzungen abhängig gemacht werden darf, kann der Anspruch auf Abgeltung der Restkosten auch von der Verwendung eines bestimmten Bedarfserfassungssystems abhängig gemacht werden. Wenn nun dieses System für die Erfassung des Pflegebedarfs bei gewissen Krankheitsbildern nur bedingt geeignet ist oder die selbständige Pflegetätigkeit nur in einem Teilpensum ausgeübt wird und die Kosten für die Verwendung eines bestimmten Systems deshalb unverhältnismässig ins Gewicht fallen, wird die selbständige Berufsausübung erschwert.

Was könnten Pflegefachleute vorkehren, damit sie auf solche Konflikte besser vorbereitet sind bzw. diese verhindern könnten?

Die selbständigen Pflegefachpersonen können sich vor der Aufnahme der Tätigkeit bei den zuständigen Stellen über die Voraussetzungen der Restkostenabgeltung informieren. Erst dann kann entschieden werden, ob sich die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit auch finanziell lohnt. Da die selbständigen Pflegefachpersonen aufgrund der Kontinuität in der persönlichen Betreuung und ihrer Flexibilität gerade bei komplexen Pflegesituationen oftmals eine wertvolle Ergänzung – und nicht in erster Linie als Konkurrenz – zu den Leistungserbringern mit staatlichem Hintergrund angesehen werden, würde ich es als sinnvoll erachten, die Voraussetzungen für die Abgeltung der Restkosten auf Bundesebene einheitlich zu regeln oder die zusätzlichen Beschränkungen auf kantonaler Eben abzubauen.

Wo siehst du aus deiner Erfahrung Handlungsbedarf bei pflegerechtlichen Angelegenheiten?

Aus der ZeitschriftPflegerecht 1/2020 | S. 71–72 Es folgt Seite № 72In einem grösseren Kontext erachte ich es als dringend notwendig, Massnahmen zur Verminderung des Fachkräftemangels zu treffen. Auch sollte die Rolle der Pflege angesichts ihrer Bedeutung gestärkt werden. Die Volksinitiative für eine starke Pflege geht vor diesem Hintergrund sicher in eine gute Richtung. Ich stelle immer wieder fest, dass sich die Kombination von Fachkräftemangel und Kostendruck negativ auf die Arbeitsbedingungen von einzelnen Pflegefachpersonen auswirken kann. Wir sollten uns bewusst sein, dass gute und zeitgerechte Arbeitsbedingungen nicht nur den in der Pflege tätigen Personen, sondern auch den Patienten zu Gute kommen.

Herzlichen Dank für das interessante Interview über deine Tätigkeit im Bereich des Pflegerechts.

Das Interview führte im Namen der Redaktion der Zeitschrift «Pflegerecht»