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Aus der ZeitschriftPflegerecht 3/2013 | S. 129–129Es folgt Seite №129

Editorial

Der Sommer erfreute dieses Jahr alle jene, die Sonne und Wärme lieben, und genauso prächtig ist das dritte Heft des diesjährigen Jahrganges. Das vorliegende Heft umfasst vier thematisch breit aufgestellte Beiträge. Maya Shaha widmet sich dem interessanten, gesellschaftlich eher verdrängten Thema der Geschlechtsvariationen. Dass Mann und Frau zweierlei sind, weiss die breite Öffentlichkeit. Doch die Häufigkeit der äusserlichen und innerlichen Zerrissenheit der männlichen oder weiblichen Selbstidentität ist Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, vielleicht noch nicht so bewusst. Mir wurde das Faktum der Geschlechtsvariationen während meines Studienaufenthalts in den USA vor Augen geführt, als eine Kommilitonin, prima vista weiblich, männliche Wesenszüge offenbarte und eine Semesterarbeit schrieb, in der sie darauf aufmerksam machte, dass das in den USA geltende juristische Entweder-oder die Realität von vielen Tausenden von Bewohnern des neuen Kontinents in unzumutbarer Weise verkürzt.

Personen, die mit ihrer Alters- oder Invalidenrente den finanziellen Alltag nicht bestreiten können, benötigen Ergänzungsleistungen, letztlich eine existenzsichernde Zusatzrente und Kostenvergütung. Doch diese erhalten nur sparsame Versicherte, die nicht zu viel verschenkt oder verprasst haben. Die anderen müssen sich das «Verzichtsvermögen» als Einkommen anrechnen lassen und riskieren, im Alter oder bei einem Heimaufenthalt sozialhilfebedürftig zu werden. Dass Schenken und Geldausgeben, an sich zwei angenehme Dinge, sich im Alter aber fatal auswirken können, macht der Beitrag von Martin Kaiser klar.

Unlängst entschied das Bundesgericht, dass Behinderte, denen der Zugang zu einem Kino verweigert wird, sich nicht erfolgreich auf das verfassungsmässige Behindertendiskriminierungsverbot berufen können. Iris Glockengiesser vertieft sich in ihrem Beitrag in die UNO-Behindertentrechtskonvention und zeigt anschaulich, dass dieser neue Staatsvertrag vielleicht nicht scharfe Zähne, aber doch einige Zähne mehr als das verfassungsmässige Behindertendiskriminierungsverbot hat, diese Lektion aber einem Mitgliedstaat erst erteilt wird, wenn er auch das Zusatzprotokoll, mithin fremde Richter, akzeptiert, was ein Staat, in dem die historische Fiktion «Gessler» verpönt ist, wohl nicht tun wird.

Zu guter Letzt befassen sich Julia Hug und Kurt Pärli mit der puren Emotionalität eines Impfzwangs für in der Pflege tätige Personen, den angeblich das neue Epidemiegesetz, über das in diesem Jahr abgestimmt wird, neu bringen soll. Die nüchterne juristische Analyse zeigt gewiss ein anderes Bild. Kurt Pärli und Nadine Wantz stellen sich sodann bei der Beantwortung des konkreten Falles, den Johannes Baumann, Geschäftsführer im Pflegezentrum Eulachthal, unterbreitet hat, einem weiteren emotionalen Thema: dem der Erbschleicherei oder – positiv formuliert – der Anerkennungs- und Abschiedsgeschenke im Heim. Dass es Ersteres auch gibt, weiss der Unterzeichnete aus seiner praktischen Tätigkeit als Anwalt. In diesem realen Fall war es zwar nicht ein Heim oder eine Heimangestellte, sondern ein Pfarrer, der mit vorformulierten Testamenten ältere Damen einlud, als Gegenleistung für die himmlische Pfortenöffnung nicht nur seine Kirche, sondern vor allem ihn selber zu begünstigen. Ihm hätte es gutgetan, nicht nur zu wissen, was in der Bibel, sondern auch, was im ZGB steht …

Die beiden Foren Gesetzgebung, von Brigitte Blum betreut, und Rechtsprechung, enthaltend Urteilsbesprechungen von Thomas Gächter, Daniel Hürlimann, Hardy Landolt und Julian Mausbach, sind thematisch breit aufgestellt. In der Rubrik Neuigkeiten finden Sie, liebe Leserinnen und Leser, Literaturhinweise und den Hinweis auf ein dreitägiges Arzthaftpflichtseminar vom kommenden November. Dann allerdings sind der Sommer schon und der Herbst bald vorbei. Geniessen Sie diesen hoffentlich genauso wie die Lektüre dieses Heftes.

Ihr

Prof. Dr. iur. Hardy Landolt LL.M.