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Aus der ZeitschriftPflegerecht 3/2017 | S. 129–129Es folgt Seite №129

Editorial

Im Zeitpunkt der Drucklegung des vorliegenden Heftes, das Sie, liebe Leserinnen und Leser, nun in Händen halten, wurde dem Verfasser nicht nur im privaten Umfeld, sondern auch im Zusammenhang mit den beruflich betreuten Pflegefällen einmal mehr vor Augen geführt, welche Bedeutung die Betreuung und Pflege zu Hause durch Angehörige für die davon betroffenen Personen hat. Passend dazu, aber zufällig befassen sich drei der vier wissenschaftlichen Beiträge mit dieser Problematik.

Das Bundesgesetz über die Unfallversicherung wurde mit Wirkung auf den 1. Januar 2017 teilrevidiert. Im Zuge der Revision wurde auch Art. 18 UVV textlich neu gefasst. Hardy Landolt äussert sich in seinem Beitrag zur Tragweite der Revision und vertritt dabei die Auffassung, dass die unfallversicherungsrechtliche Leistungspflicht – auch in altrechtlichen Fällen – mit dieser Revision ausgeweitet worden ist und neu nicht nur wie bisher für die medizinische Pflege, sondern auch die nicht medizinische Betreuung durch Angehörige eine unbedingte Beitragspflicht eingeführt wurde.

Hannah Wepf, Heidi Kaspar, Ulrich Otto, Iren Bischofberger und Agnes Leu betonen, dass der Begriff der «Angehörigenpflege» unklar ist, heben aber in ihrem Beitrag hervor, dass eine Öffnung in zweifacher Hinsicht angezeigt ist. Als Angehörige sind nach der Meinung der Verfasser nicht nur die Mitglieder der Kernfamilie, sondern alle informellen Dienstleister zu verstehen. Ebenso gebietet sich eine Öffnung mit Bezug auf die leistungspflichtigen Dienstleistungen. Nicht nur eigentliche Pflegeleistungen, sondern alle Dienstleistungen, welche die hilfsbedürftige Person benötigt, sind miteinzubeziehen, um ein zukunftsgerichtetes und den sozialen Verhältnissen entsprechendes Pflegeversorgungssystem zu garantieren.

Hardy Landolt vertieft in seinem zweiten Beitrag den letzten Aspekt und kritisiert den im derzeitigen System geltenden uneinheitlichen Überwachungsbegriff. Versicherten Personen, die nicht auf eine aktive, sondern eine passive Betreuung und Pflege angewiesen sind, sind gleich zu behandeln, um eine Betreuung zu Hause sicherzustellen.

Hedi Hofmann Checchini und Ewald Schorro widmen sich einem in der Praxis trotz der Verabschiedung des neuen Erwachsenenschutzrechtes ungelösten Problem. Die bewegungseinschränkenden Massnahmen sind ein Dauerbrenner im Pflegealltag. Die verabschiedeten gesetzlichen Grundlagen geben lediglich die Grundstruktur der Beurteilung der Zulässigkeit vor, beantworten aber nicht die zahlreichen Fragen des Pflegealltags. Die Autoren betonen die Wichtigkeit von einheitlichen, evidenzbasierten Interventionsprogrammen bzw. von Leitlinien, um eine einheitliche Handhabung über alle Pflegedienstleister hinweg sicherstellen zu können.

Das von Helena Zaugg organisierte Forum widmet sich den Pflegekompetenzen. Allein schon die «Armada» der Autoren Claudia Schlegel, Simone Anna Heitlinger, Susanne Koch, Andreas Bolliger, Manuela Pretto, Isabelle Gisler und Helena Zaugg ist Zeichen dafür, dass die Neuordnung der Gesundheitsberufe die schon bisher bestandene Problematik der je spezifischen Kompetenz des jeweiligen Pflegeberufes verschärft hat. Leider hat der Bundesgesetzgeber bei der Verabschiedung des Gesundheitsberufegesetzes sich darauf beschränkt, die berufsspezifischen Kompetenzen zu erwähnen, eine kontinuierliche Erweiterung derselben anzuordnen sowie eine Pflicht vorzusehen, die Grenzen der Kompetenzen einzuhalten. Was aber Inhalt der jeweiligen berufsspezifischen Kompetenzen ist sowie ob und inwieweit eine Delegation von berufsspezifischen Kompetenzen zulässig ist, entzieht sich einer gesetzlichen Regelung, was der Rechtssicherheit natürlich abträglich ist.

Brigitte Blum-Schneider gewährt in der Rubrik Gesetzgebung erneut einen umfassenden Einblick in laufende normative Vorhaben auf Bundesebene, während sich Hardy Landolt und Julian Mausbach mit zwei sozialversicherungsrechtlichen Entscheiden, welche zum Anspruch auf Ergänzungsleistungen ergangen sind, und einem strafrechtlichen Schändungsurteil auseinandersetzen. Das von Thomas Gächter mit Thomas Heiniger – Gesundheitsdirektor des Kantons Zürich und Präsident der Gesundheitsdirektorenkonferenz – geführte Interview gewährt einen vertieften Einblick in die aktuellen Probleme der Kantone, welche im Zusammenhang mit der Pflegeversorgung und -finanzierung bestehen. Dass dabei die Kantone hinsichtlich der zukünftigen demografischen Veränderungen vor grossen Herausforderungen stehen und eine vertiefte Diskussion vonnöten ist, wird dem Leser einmal mehr bewusst.

Ihr

Prof. Dr. iur. Hardy Landolt LL.M.