Aller au contenu principal

Aus der ZeitschriftPflegerecht 4/2018 | p. 197–197Es folgt Seite №197

Editorial

Das letzte Heft des Jahrganges 2018, das Sie, liebe Leserinnen und Leser, in Händen halten, ist geprägt vom Bundesgerichtsentscheid 9C_446/2017 zur Restkostenfinanzierung. Zwei der insgesamt vier wissenschaftlichen Beiträge sowie die Urteilsbesprechung betreffen diesen Entscheid, der symptomatisch für den «Kampf» um die Verteilung der Pflegekosten ist, der zwischen den Kostenträgern ausgefochten wird.

David Hofstetter und Alexander Rey beleuchten diesen Verteilkampf unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeitskontrolle. Die Autoren führen in ihrem Beitrag aus, wie und von wem die Kontrolle der Wirtschaftlichkeit der Pflegekosten erfolgt. Ihrer Auffassung nach haben nicht nur der Krankenversicherer, sondern auch das restkostenfinanzierende Gemeinwesen eine Wirtschaftlichkeitskontrolle durchzuführen.

Über die möglichen Auswirkungen und Impulse des höchstrichterlichen Entscheides äussern sich Tomas Poledna und Ralph Trümpler in ihrem Beitrag. Der Hauptfokus liegt dabei auf den Auswirkungen auf die Restfinanzierung der Pflegekosten im Kanton Zürich. Andreas Petrik ergänzt den Reigen um die Auswirkungen des bundesgerichtlichen Entscheides in seiner Urteilsbesprechung und macht ebenfalls klar, dass die Umsetzung, insbesondere die Feststellung der tatsächlichen Pflegekosten auf Grundlage sämtlicher erbrachter Pflegeleistungen, kein einfaches Unterfangen sein wird.

Der Kostendruck, der in der Pflege herrscht, trägt zunehmend dazu bei, das Angebot an Pflegeleistungen zu vermindern bzw. diplomierte Pflegefachpersonen durch ungelerntes Personal zu ersetzen. Andreas Kley und Tim Segessemann widmen ihren Beitrag der ungenügenden Personalausstattung und werfen die interessante Frage auf, ob und inwieweit eine ungenügende Pflegeversorgung als Grundrechtsverletzung zu qualifizieren ist. Die Autoren analysieren dazu die Rechtsprechung des EuGH zu den Schutzpflichten, welche aus Art. 2 und 8 EMRK abgeleitet werden. Die Strassburger Richter haben mitunter eine ungenügende Pflegeversorgung als faktischen Grundrechtseingriff qualifiziert und damit das in der Bundesverfassung verankerte Konzept der Grundrechte als blosse Abwehrrechte grundsätzlich infrage gestellt.

Auch der letzte wissenschaftliche Beitrag von Claudia Leoni-Scheiber und Maria Müller Staub ist letztlich von dieser Problematik geprägt. Die Autorinnen legen dar, dass eine gute Pflegeversorgung eine hinreichende Anzahl von diplomierten Pflegefachpersonen voraussetzt. In allgemeinen Pflegesituationen ist ein Verteilerschlüssel von einer diplomierten Pflegefachperson auf vier pflegebedürftige Personen angezeigt. Die abnehmende Anzahl von diplomierten Pflegefachpersonen bzw. der stetige Anstieg der Anzahl von pflegebedürftigen Personen trägt dazu bei, dass die Pflegequalität kontinuierlich abnimmt. Vor diesem Hintergrund ist das Bestreben der Interessenverbände, sowohl in der Bundesverfassung als auch in den kantonalen Gesundheitsgesetzen ein hinreichendes Pflegefachpersonen/Patienten-Verhältnis zu verankern, nachvollziehbar.

Es passt ins Bild, dass sich das von Heidrun Gattinger und Helena Zaugg betreute Forum mit ethischen Entscheidungen von Gesundheitsfachpersonen befasst. Giovanni Maio, Ewald Schorro, Ivo Wallimann-Helmer, Muriel Keller und Hanspeter Kuhn gehen in ihren Beiträgen auf die zahlreichen Fragen im Zusammenhang mit der Pflegeethik ein. Dem Leser wird vor Augen geführt, dass letztlich nicht klar ist, ob die Pflegeethik allgemein formuliert werden kann oder einzelfallbasiert umgesetzt werden muss und wie die Dichotomie zwischen Ethik und Recht aufgelöst werden soll. Während rechtliche Regeln den Anspruch auf absolute Geltung haben, verlangt das Selbstverständnis der Ethik, dass rechtliche Standards unter Umständen missachtet werden.

Dass auch der Gesetzgeber vor der Herausforderung steht, ethisch vertretbares und bezahlbares Recht zu erlassen, macht die von Brigitte Blum-Schneider betreute Rubrik einmal mehr klar. Mir bleibt, liebe Leserinnen und Leser, das rechtlich zulässige und erst noch bezahlbare Vergnügen, Ihnen ein paar besinnliche Adventstage zu wünschen, die frei von Kostenfragen und ethischen bzw. rechtlichen Dilemmata, dafür aber erfüllt von Freude sind – vielleicht auch beim Lesen des vorliegenden Heftes.

Ihr

Prof. Dr. iur. Hardy Landolt LL.M.