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Aus der ZeitschriftPflegerecht 1/2021 | p. 76–77Es folgt Seite №76

Interview mit...

Elena Owassapian lic. phil. I, Mitglied der Geschäftsleitung der Spitex Zürich Limmat

Liebe Elena, du hast über 20 Jahre Erfahrung im Management einer grossen Spitex-Organisation. Ich möchte eine erste, ganz persönliche Frage stellen: Macht es noch immer Freude, so eng mit der Entwicklung der Spitex verbunden zu sein?

Ja, es macht mir noch immer sehr grosse Freude! Mir persönlich ist die Sinnhaftigkeit meiner Tätigkeit enorm wichtig. Mich im Rahmen meiner Berufstätigkeit dafür einsetzen zu können, es Menschen zu ermöglichen, in ihren eigenen vier Wänden u. U. bis zu ihrem Tod betreut und gepflegt werden zu können, empfinde ich als grosses Privileg. In meiner Funktion versuche ich vor allem für die Kolleginnen und Kollegen, welche die tatsächlichen pflegerischen und hauswirtschaftlichen Einsätze machen, gute Rahmenbedingungen zu schaffen. Zudem habe ich das Glück, in der Spitex mit unglaublich vielen tollen Frauen und Männern zusammenarbeiten zu dürfen, die sich derselben Vision verpflichtet fühlen.

Noch selten kam der Spitex eine so tragende und zentrale Rolle zu wie im Covid-19-Jahr 2020. Sind überhaupt noch personelle Ressourcen verfügbar, um auch die nächsten intensiven Monate zu meistern?

Ich finde es schön, dass du die Rolle der Spitex als zentrale und tragende Rolle beschreibst, oft mussten wir uns in dieser Hinsicht nämlich selbst ins Gespräch bringen, oder uns in wichtige übergreifende Arbeitsgruppen einklinken. Dabei spielen wir in der Gesundheitsversorgung nämlich wirklich eine tragende Rolle, denn oft waren unsere Mitarbeitenden während des Lockdowns im Frühling die einzigen Aussenkontakte für unsere Kundinnen und Kunden. Jetzt während der zweiten Welle betreuen und pflegen unsere Mitarbeitenden viele Menschen, die sich in Isolation oder Quarantäne zu Hause befinden. Zu den personellen Ressourcen: Ja, ich gehe davon aus, dass wir genügend personelle Ressourcen haben, um auch die nächsten Monate meistern zu können.

Wird im Bereich des Pflegepersonals ebenfalls, wie in den Intensivabteilungen der Spitäler, der Mangel an qualifiziertem Fachkräften spürbar?

Auch wir in der Spitex haben es nicht immer so einfach, unsere offenen Stellen schnell wieder zu besetzen. Dennoch ist der Mangel ganz bestimmt nicht so gross wie in den Intensivabteilungen der Spitäler. Auch wenn in der Pflege zu Hause heute sehr viele komplexe und medizintechnisch anspruchsvolle Einsätze an der Tagesordnung sind, sind diese doch nicht vergleichbar mit dem Know-how, das auf einer Intensivstation erforderlich ist. Zudem haben wir in der Spitex Zürich Limmat in den letzten Jahren viel in unsere Fachentwicklung investiert. Die Teams an der Basis haben schnellen Zugang zu unseren Fachstellen (Pallcare, psychosoziale Pflege und Betreuung, Wundspezialistinnen u. a.) und einer Gruppe von Pflegeexpertinnen, die ebenfalls zur Unterstützung beigezogen werden können.

Mit welchen Argumenten kann gutes Personal für die Spitex gewonnen werden, das auch in einer stationären Einrichtung gefragt wäre?

In der Spitex Zürich Limmat haben wir im Herbst 2020 ein grosses Transformationsprojekt abgeschlossen, das uns die letzten drei Jahre stark gefordert hat. Wir haben uns am holländischen Buurtzorg-Modell orientiert und setzen voll und ganz auf selbst organisierte Teams. Mittlerweile arbeiten insgesamt 57 selbst organisierte Teams, die jeweils rund zwölf Personen aller Berufsgruppen umfassen und sich selbst um das gesamte Kundengeschäft in ihrem Quartierteil kümmern, also um die Dienst- und Einsatzplanung, um die Einsätze selbst natürlich, um die Rekrutierung neuer Kolleginnen und Kollegen. Sie werden dabei von Coachs unterstützt und von zentralen Supportbereichen, in administrativer und fachlicher Hinsicht. Es gibt keine Führungskräfte mehr. Auch wenn diese Umstellung ganz bestimmt viele unserer Mitarbeitenden herausfordert, sind wir davon überzeugt, dass genau dies der einzig richtige Weg war und ist, um gutes Personal für die Spitex gewinnen zu können. Es zeigt sich, dass mittlerweile bis zu 30% Aus der ZeitschriftPflegerecht 1/2021 | p. 76–77 Es folgt Seite № 77unserer Neurekrutierungen durch Mund-zu-Mundpropaganda bestehender Mitarbeitenden erfolgt. Viele schätzen es sehr, ohne Chefs zu arbeiten, auch wenn parallel zum Gestaltungspielraum auch die Verantwortung gestiegen ist. Weitere Argumente sind die grosse Selbstständigkeit, die grosse Abwechslung in der täglichen Arbeit und dass wir keine Schichtarbeit kennen, sondern z. B. der Nachtdienst von einem separaten Team wahrgenommen wird.

Ist die Wertschätzung der Arbeit der Spitex in den letzten Monaten spürbarer geworden?

Hm, das ist eine schwierige Frage. Von Seiten unserer Kundschaft und deren Angehörigen haben wir schon zum Teil spürbarere Wertschätzung erfahren. Gerade auch während der ersten Welle haben sich viele Personen bei uns gemeldet, die uns angeboten haben, uns bei Engpässen zu unterstützen. Bei politischen Entscheidungsträgern und den anderen Playern im Gesundheitswesen gäbe es noch Luft nach oben!

Welches sind die zentralsten Herausforderungen für die Spitex – auch über Corona hinaus?

Für uns als öffentliche Spitex mit einem Leistungsauftrag und einer Versorgungspflicht ist die zentralste Herausforderung nach wie vor, haushälterisch mit den Finanzen umzugehen. Es ist eine ständige Gratwanderung, sich als qualitativ herausragende und moderne Organisation zu positionieren, in einem Markt, der nur so wimmelt von privaten Spitex- Firmen, und dabei selbst nicht zu teuer zu werden.

Das Interview führte

im Namen der Redaktion

der Zeitschrift «Pflegerecht».