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Aus der ZeitschriftPflegerecht 4/2023 | p. 163–164Es folgt Seite №163

Editorial

Das Editorial ist in etwa das Abstract eines Hefts. Wer das Heft nicht liest, liest vielleicht das Editorial. Haben Sie Zeit, dieses Editorial zu lesen? Oder sogar das ganze Heft? Es wäre zu wünschen!

Was uns im Pflegerecht über alle Jahrgänge verfolgt und verfolgen wird, sind nicht bunte Erinnerungen und Ferienprospekte, sondern Probleme um Kranksein, Alter, Schwäche, Defizite. Defizite sind etwas, was in der zutiefst im Menschlichen verankerten, eigentlich sympathischen Unvollkommenheit liegt, aber Defizite sind natürlich vorab auch ein ökonomisches Thema; ökonomisch betrachtet sind Defizite höchst unsympathisch, obwohl man sie als Mehrleistung zugunsten der Gesundheit betrachten könnte: Gesundheit ist das Ziel, das wir laufend mit mehr Perfektion anstreben … und mit mehr Kosten, tendenziell mehr Ressourcen jeglicher Provenienz. Fortschritt bedeutet bisweilen Ersparnis und Effizienzgewinn, meist aber höhere Ansprüche und fortschreitende Kosten. Und bessere medizinische Versorgung in Schwächephasen ist längst mehr als das Anlegen von Verbänden und Fiebermessen, sondern eine hochspezialisierte Tätigkeit in verschiedensten Teilgebieten und Funktionen. Dass die steigenden Möglichkeiten mit steigenden Ansprüchen und steigenden Kosten korrelieren, muss vorab die gesellschaftliche Bereitschaft anspornen, die eigenen Ansprüche zu finanzieren.

Einen sehr konkreten und praktikablen Vorschlag, wie dem beizukommen wäre, liefern Christine Boldi und Lorena Meier: Während das heutige Gesundheitssystem vorab auf akute Ereignisse und deren Behandlung zwecks Wiederherstellung möglichster Gesundheit ausgerichtet ist, bedeutet die Behandlung chronisch erkrankter, multimorbider Menschen eine Daueraufgabe. Würde man der etablierten und verantwortungsvollen Tätigkeit von Advanced Practice Nurses eine gesetzliche Grundlage geben, wären ärztliche Akteure entlastet, würden Doppelspurigkeiten vermieden und das pflegerisch zentrale Tätigkeitsgebiet aufgewertet und dank zunehmender Verantwortung an Attraktivität gewinnen. Im Rahmen der Umsetzung der Pflegeinitiative könnte eine gesetzliche Regelung der APN-Tätigkeit sowohl das Berufsbild aufwerten als auch die medizinische Versorgung qualitativ verbessern und kostenmässig eine Entlastung bedeuten. Ein ausgearbeiteter Gesetzesentwurf wartet auf politische Diskussion und Umsetzung!

Wer im Gesundheitssektor tätig ist, trägt Verantwortung, primär für die zu behandelnden Menschen, aber letztlich für die gesamte Gesellschaft. Alle Akteure haben sich zwar maximal einzusetzen, aber mit minimalem Impact. Zwar sind Einnahmen und Ausgaben abzustimmen, aber auch für unseren Anspruch auf Gesundheit ist eine vernünftige CO2-Bilanz anzustreben. Elisabeth Haldemann-Jenni befasst sich mit der Notwendigkeit, trotz zwingenden Hygienevorschriften dem Recycling (vorab am Beispiel von Stahlprodukten wie Pinzetten und Scheren) Aufmerksamkeit zu schenken: Zwar ist Hygiene zentral, aber Spitäler und alle Akteure des Gesundheitsbereichs haben nicht eindimensional zu handeln, sondern auch der Nachhaltigkeit als ethischem Grundprinzip gleichermassen Aufmerksamkeit zu schenken.

Aus der ZeitschriftPflegerecht 4/2023 | p. 163–164 Es folgt Seite № 164Das Forum befasst sich mit dem Thema pflegende Angehörige …das nur angeschnitten werden kann: Mitmenschliche Beziehungspflege im Allgemeinen, die Pflege und Erziehung von Kleinkindern, der Beistand unter Ehegatten und im Eltern-Kind-Verhältnis (Art. 159 und 272 ZGB, die sinngemäss bei jeglicher persönlicher Nahebeziehung, also auch in Konkubinaten, gelten) folgen einem zwischenmenschlichen Grundanliegen, das aber unter heutigen Familien- und Wohnformen und in der delegierten Dienstleistungsgesellschaft vorab im Alter und bei dauernder Pflegebedürftigkeit häufig zu Fremdpflege führt. Einen Blick ins Leben pflegender Angehöriger – und namentlich die fehlende Inanspruchnahme von Unterstützungsangeboten – ermöglichen Magdalena Vogt, Lisa Meier, Andrea Brenner und Heidrun Gattinger. Der nötigen Koordination seitens Angehöriger bei Involvierung verschiedener Akteure widmen sich Sarah Brügger und Beat Sottas. Naturgemäss sind die Ansprüche an familiäre Pflegeleistung besonders dort ausgeprägt, wo pflegende Angehörige in Pflegeberufen tätig sind; damit befasst sich Iren Bischofberger. Ein letzter Beitrag im Forum befasst sich mit den Kontakten des persönlichen Umfelds bei in Institutionen lebenden Angehörigen.

Schliesslich finden sich auch in diesem Heft die laufenden Hinweise zum Gang der Gesetzgebung und wichtige Gerichtsentscheide, heute zu Zwangsmassnahmen und zur medizinischen Schweigepflicht, beide von Hardy Landolt kommentiert.

Das Heft schliesst mit einem Denkanstoss von Elsbeth Luginbühl zum Qualitätsstreben: Personalmangel reduziert die Qualität, und der Zwang, qualitativ unzulängliche Leistungen erbringen zu müssen, vergrault das verbliebene Personal – ein Teufelskreis, dem das Qualitätsmanagement Aufmerksamkeit zu schenken hätte.

Allen, die für unsere Gesundheit professionell und/oder familiär tätig sind, gebührt Dank; beste Wünsche für geeignete Rahmenbedingungen und ihre eigene Gesundheit und Resilienz begleiten sie.

Ihre

Prof. Dr. iur. Peter Breitschmid

Prof. Dr. Heidrun Gattinger