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Aus der ZeitschriftPflegerecht 3/2022 | S. 183–184Es folgt Seite №183

Interview mit …

Melanie Rogantini

Melanie Rogantini ist eine Frau aus Coltura, einem Dorf im Bergell. Sie ist 33 Jahre alt und hat zwei kleine Kinder. Momentan arbeitet sie in Spino, einem Dorf etwas ausserhalb von Promontogno.

Ysé Wysshaar

Ysé Wysshaar wohnt und arbeitet in Bern. Sie ist 26 Jahre alt und hat keine Kinder. Dadurch ist sie ungebundener und hat etwas mehr Spielraum beim Planen ihrer unregelmässigen Arbeitszeiten.

Melanie Rogantini absolvierte in Chur die Grundausbildung zur Fachfrau Gesundheit (FaGe). Danach begann sie sogleich mit ihrer Ausbildung zur diplomierten Pflegefachfrau in Chur, Beverin und Samedan. Als diplomierte Pflegefachfrau HF arbeitete sie anschliessend im Spital Oberengadin und drei Jahre in der Klinik Gut in St. Moritz, bis sie wieder nach Samedan wechselte. Dort arbeitete sie auf der Privatabteilung (Medizin und Chirurgie). Kurz nach ihrer Schwangerschaft wechselte sie nach Spino ins Centro Sanitario Bregaglia, wo sie Patienten mit Demenz betreute. Seit Kurzem ist sie in der Ausbildung für Palliativpflege, die sie mit einem MAS abschliessen wird. Parallel dazu ist sie für den palliativen Brückendienst Graubünden im Bergell zuständig.

Ysé Wysshaar hat ihre Ausbildung als Fachfrau Gesundheit (FaGe) im Inselspital gemacht und liess anschliessend zwei Jahre vergehen, bis sie 2017 die Ausbildung zur diplomierten Pflegefachfrau HF im Lindenhofspital in Angriff nahm. Sie hat bislang im Inselspital, im Lindenhofspital und im Salemspital gearbeitet und ist jetzt im Psychiatriezentrum Münsingen tätig.

Wie habt ihr von der Initiative erfahren?

Ysé: Durch den Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner SBK, auch durch die Medien und das Berufsumfeld.

Melanie: Ich habe 2017 von einer Kollegin, die nicht im Pflegeberuf gearbeitet hatte, von der Initiative erfahren. Ich habe mich aber nicht weiter darum gekümmert.

Ihr habt euch beide für diese Initiative engagiert. Weshalb?

Melanie: 2021 erhielt ich eine E-Mail vom SBK Graubünden. Ich hatte mich wegen meines Berufs wiederholt unwohl gefühlt und ergriff deshalb die Chance, bei der Initiative aktiv mitzumachen.

Ysé: Ich war sehr motiviert und habe für die Initiative Werbung gemacht. Die Kolleg*innen sollten sich bestmöglich informieren, um selbst Werbeträger*innen zu werden.

Weshalb hattet ihr die Überzeugung, dass die Initiative durchgesetzt werden musste?

Melanie: Durch die vielen Patient*innen und wenig Pflegepersonal kommt es schleichend und kontinuierlich zu Ressourcen- und Zeitmangel. Das bedeutet, dass ich meinem Beruf nicht immer angemessen und in der erforderlichen Qualität erledigen kann. Deshalb sind bessere Arbeitsbedingungen und ausreichend Pflegepersonal wichtig, damit wir unseren Beruf in all seinen Facetten ausüben können.

Wie war die Initiative für euch persönlich?

Ysé: Es war der Bevölkerung bewusst, wie viel wir leisten, etwas musste also geschehen. Veränderungen im Gesundheitswesen sind dringend notwendig!

Melanie: Interessant, anspruchsvoll, lehrreich und befriedigend. Sie hat gezeigt, wie wichtig und bedeutungsvoll unser Beruf ist. Aus der ZeitschriftPflegerecht 3/2022 | S. 183–184 Es folgt Seite № 184

Ihr habt in unterschiedlich langen und in unterschiedlichen Berufsfeldern Erfahrungen gemacht und hattet trotzdem den Eindruck, dass diese Initiative für euren Arbeitsplatz wichtig ist. Haben sich die übrigen Pflegenden dieselben Gedanken gemacht?

Ysé: Es gab viel Werbung für die Situation der Pflegenden und es wurde viel debattiert, das war gut. Gerade auch mit der Covid-Krise wurde die Situation unerträglich, und das haben nicht nur wir, sondern auch die Menschen gesehen! Die Kolleg*innen waren sich fast alle einig, dass es diese Initiative nun endlich brauchte. Bei uns gab es daher keine Gegenstimmen!

Melanie: Sie haben sich etwa die gleichen Gedanken gemacht wie ich. Häufig sind es die Arbeitsbedingungen, welche den Inhalt unserer Tätigkeit stören. Die Arbeitskolleg*innen sind also interessiert! Ich habe nach Möglichkeit auch mit Patient*innen und Angehörigen geredet, die dieselbe «Idee» wie wir mit der Initiative hatten.

Was passiert, wenn Personen eure Argumente nicht verstehen?

Ysé: Sie konnten unsere Argumente nachvollziehen. Sie waren aber auch nicht sonderlich interessiert und hatten zu wenig Interesse an politischen Fragen und Anliegen.

Melanie: Das war kein Thema für sie. Aber es gab Leute, die auf eine Lohnerhöhung fixiert waren, das war schwierig. Ich selbst war nicht diese Person, ich wollte endlich Arbeitsbedingungen, die uns ein befriedigendes Arbeitsleben ermöglichen.

Welchen Einfluss hatten eure Vorgesetzten in der Pflege, während diese zuerst bei der Unterschriftensammlung war und später im Parlament mit einem Gegenvorschlag beraten wurde?

Melanie: Meine Vorgesetzten wollten «neutral» bleiben, waren aber offen für mein Engagement für die Initiative. Ich habe vor allem viel Unterstützung von der Präsidentin der SBK Graubünden sowie der Gruppe von Oberengadin und ein paar Arbeitskolleginnen erhalten.

Ysé: Meine Vorgesetzten haben Werbematerial bestellt und an uns verteilt. Es war ein richtiges Teamwork! Wir alle waren überzeugt, dass diese Initiative gewinnen musste.

Ihr möchtet mit dieser Initiative der Pflege Gewicht geben, die Arbeitsbedingungen verbessern und für Weiterbildungen sorgen. Zudem soll der Lohn der freiberuflichen Personen angepasst werden. Was ist mit der Politik, wenn deren Anliegen nicht mit euren Auffassungen übereinstimmen?

Ysé: Es würde mich frustrieren, ja. Ich würde eine gewisse Respektlosigkeit gegenüber meinem Beruf empfinden. Insbesondere wenn sich nichts verändern würde bezüglich Arbeitsbedingungen und Lohn.

Melanie: Mein Beruf entspricht momentan nicht immer meinen Vorstellungen, und ich möchte die Arbeit nicht so machen, dass wegen zunehmenden Zeitdrucks die ethischen Aspekte meines Berufes verloren gehen. Wenn nichts verändert würde oder die Situation noch schlimmer werden würde, werde ich wahrscheinlich meinen Beruf auf der Abteilung verlassen. Die ist auch einer der Gründe, weshalb ich mich weiterbilden wollte, um mehr berufliche Möglichkeiten zu haben!

Was war für euch das Beste bei dieser Initiative?

Ysé und Melanie sind sich bei dieser Frage einig: Die Demo war gut, und das Engagement der Mitglieder war sehr motivierend. Sie haben tolle Leute kennengelernt, welche die gleichen Meinungen haben wie sie selbst.

Was muss nun der SBK tun, damit sich möglichst viel von der Initiative verwirklicht?

Ysé: Ich denke, dass der SBK und die anderen Gewerkschaften eng miteinander arbeiten sollten, damit mehr Druck und Kraft entstehen kann.

Melanie: Für mich bedeutet es, dass der SBK, aber auch die Leute, die im Bereich des Gesundheitswesens tätig sind, dranbleiben!

Und zuletzt: Was muss sich in der Pflege verändern, damit der Beruf die Personen zwanzig Jahre und mehr halten kann?

Ysé: Die Bedingungen müssen besser und attraktiver werden. Der Lohn und die Mitarbeiterzahl müssen unbedingt gesteigert werden.

Melanie: In der Pflege sollte man mehr Zeit haben, damit alle pflegerischen Aspekte berücksichtigt werden können. Für mehr Zeit braucht es genügend Pflegepersonal. Und für genügend Personal braucht es vermehrt Attraktivität in und Respekt für unseren schönen Beruf!

Das Interview führte

im Namen der Redaktion der Zeitschrift «Pflegerecht».