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Aus der ZeitschriftPflegerecht 4/2020 | S. 193–193Es folgt Seite №193

Editorial

Das Ende der pandemischen Viren ist nicht absehbar, absehbar ist aber, dass die Zeitschrift Pflegerecht – nicht zuletzt dank der Treue von Ihnen, liebe Leserinnen und Leser – im kommenden Jahr ihr 10-Jahr-Jubiläum feiert. Daran wird die Coronapandemie nichts ändern! Das weltweite Krankheitsgeschehen und der praktische Umgang damit stellen aber sowohl in medizinischer als auch in juristischer Hinsicht zahlreiche ungelöste Fragen. Die Verhältnismässigkeit der getroffenen Massnahmen und die Zulässigkeit eines allfälligen Impfobligatoriums sind nur zwei der Probleme.

Passend dazu befasst sich der erste wissenschaftliche Beitrag von Kaspar Gerber und Simone Gerber mit den rechtlichen Folgen, wenn sich Eltern über die Vornahme einer vom Bund empfohlenen Impfung uneinig sind. Das Bundesgericht hat unlängst in einem Grundsatzentscheid erwogen, dass trotz Nichtbestehens eines Impfobligatoriums eine Gefährdung des Kindeswohls besteht, wenn sich Eltern über eine vom Bund empfohlene Impfung uneinig sind und die Kinderschutzbehörde tätig werden muss. Es wird abzuwarten sein, ob im beurteilten Fall oder ganz generell Anlass dafür besteht, indirekte Impfobligatorien einzuführen.

Andreas Petrik thematisiert im zweiten wissenschaftlichen Beitrag den Anspruch auf Vergütung der Umkleidezeit. Nicht zuletzt in pandemischen Zeiten, wenn das Gesundheitspersonal im Zusammenhang mit der An- und Umkleide vor und nach dem eigentlichen Arbeitseinsatz Zeit aufwenden muss, ist die Frage gestellt, ob dafür ein Anspruch auf Vergütung geltend gemacht werden kann. Der Autor differenziert zwischen privat- und öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnissen und bejaht zurückhaltend einen Vergütungsanspruch für beide Arbeitsverhältnisse, wenn dieser nicht durch verbindliche Personalreglemente explizit ausgeschlossen wird.

Die rechtliche Stellung pflegender Angehöriger im Schadenausgleichsrecht ist uneinheitlich. Hardy Landolt wirft in seinem Beitrag einen Blick auf die unterschiedlichen Facetten der Rechtsstellung in den verschiedenen Schadenausgleichssystemen und kritisiert die fehlende Konzeption des Gesetzgebers. Nicht zuletzt im Hinblick auf das baldige Inkrafttreten des neuen Bundesgesetzes, mit dem die Vereinbarkeit der Erwerbstätigkeit mit der Angehörigenbetreuung verbessert werden soll, wäre es angezeigt, wenn der Gesetzgeber die Rechtsstellung der pflegenden Angehörigen umfassend regeln würde.

Die digitale Revolution ist im Gang und wird auch vor der Pflege keinen Halt machen. Pflegeroboter und Co. werden in der Zukunft nicht wegzudenken sein. Das von Heidrun Gattinger betreute Forum widmet sich diesen neuen Herausforderungen. Die Autoren Sylvia Wyss, Johanna Pfeil, Sven Ziegler, Christine Moeller-Bruker, Thomas Klie und Petra Betschart-Koller beleuchten die ethischen sowie gesundheits- und sozialversicherungsrechtlichen Aspekte dieser neuen Pflegegehilfen.

Brigitte Blum-Schneider gewährt nicht nur einen Einblick in die aktuelle Tätigkeit des Gesetzgebers, sondern kritisiert in der Rubrik Rechtsprechung ein neueres Urteil des Bundesgerichts, wonach im Geltungsbereich der Geburtsgebrechensversicherung Pflegeleistungen, die Angehörige der versicherten Person ausführen, pauschal durch die Hilflosenentschädigung und den Intensivpflegezuschlag abgegolten werden und die Invalidenversicherung für solche Leistungen auch dann keine Vergütung zu erbringen hat, wenn ein zugelassener Leistungserbringer anstelle der Angehörigen diese ausführt. Dass immerhin der Erwerbsausfall der pflegenden Angehörigen im Rahmen der Überentschädigungsberechnung berücksichtigt werden muss, thematisiert Hardy Landolt im Zusammenhang mit der zweiten Urteilsbesprechung.

Ich hoffe, dass Sie, liebe Leserinnen und Leser, trotz ansteigender Ansteckungskurven gesund und munter sind und sich an der Farbenpracht des Herbsts erfreuen und ab und an Sonne tanken, damit zumindest die Vitamin-D-Werte den allgegenwärtigen Viren trotzen.

Ihr

Prof. Dr. iur. Hardy Landolt LL. M.