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Aus der ZeitschriftPflegerecht 3/2020 | p. 191–192Es folgt Seite №191

Interview mit...

Heidi Hanselmann, Stiftungsratspräsidentin Schweizer Paraplegiker-Stiftung

Sehr geehrte Frau Präsidentin, in Ihrer 16-jährigen Tätigkeit als Regierungsrätin, Regierungspräsidentin und Gesundheitsdirektorin haben Sie immer wieder in unterschiedlichsten Formen Kontakt mit der Pflege gehabt. Welcher Kontakt ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?

Es ist nicht ein einzelner, es sind die vielen direkten Begegnungen mit den Pflegefachpersonen im Spital am Bett der Patientinnen und Patienten oder mit der Spitex bei den Betroffenen zu Hause. Da ich selbst 13 Jahre am Kantonsspital St. Gallen gearbeitet habe, weiss ich, welch intensive und wertvolle Arbeit diese Berufsgruppe am Tag und in der Nacht, bei einem Notfall, in der Akutsituation oder in der Langzeitpflege leistet.

Immer mehr Pflegefachpersonen bilden sich weiter zur Pflegeexpertin APN (Advanced Practice Nurse). Durch die akademische Ausbildung inkl. Masterabschluss eignen sie sich Expertenwissen, Fähigkeiten zur Entscheidungsfindung bei hochkomplexen Sachverhalten und klinische Kompetenzen für eine erweiterte pflegerische Praxis an. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

Sie ist ein bedeutender Schritt in die richtige Richtung. Studien belegen denn auch, dass in Institutionen, in denen hohe pflegerische Kompetenz vorhanden ist, weniger Komplikationen und Infektionen bei den Patientinnen und Patienten auftreten. Der richtige Schlüssel im Skill-and-Grade-Mix ist dabei zentral. Leider sind es aber noch zu wenige Personen, die eine akademische Ausbildung durchlaufen. Der Mangel bei diesen Fachleuten ist ausgewiesen.

In Zeiten von Corona war die Pflege häufig in den Medien: die Pflege ein systemrelevanter Beruf. In den verschiedensten Versorgungssituationen, von der Intensivversorgung bis zum Langzeitpflegebereich, benötigen Pflegefachpersonen ein breites und fundiertes Fachwissen. Nach wie vor gibt es in der Politik aber auch die «Jede(r) kann pflegen»-Mentalität. Wie kann der wahre Wert der Pflege in Gesellschaft und Politik besser dargestellt werden? Was raten Sie der Pflegeprofession?

Dranbleiben, sich weiterhin Gehör verschaffen. Die Volksinitiative «Für eine starke Pflege» (Pflegeinitiative) des Schweizer Berufsverbandes für Pflegefachpersonal bietet dazu eine gute Plattform, um den Beruf der Öffentlichkeit und insbesondere der Politik näherzubringen. Sie will der Pflege mehr Kompetenzen geben, bessere Bedingungen in der Ausbildung und im Beruf schaffen. Ein guter Anknüpfungspunkt, intensive Aufklärungsarbeit zu betreiben, denn die Zeit ist mehr als reif, der Pflege mehr Kompetenzen zu übertragen. Zum einen sind die Pflegefachpersonen sehr gut ausgebildet und leisten nicht erst seit der Coronapandemie hervorragende Arbeit. Einmal mehr haben sie gezeigt, dass die Betroffenen auf sie zählen können. Zum andern fehlt der medizinische Nachwuchs. Mit einer erweiterten Kompetenzzuteilung an die Pflege könnte auch die Medizin entlastet werden. Im Kanton St. Gallen werden die angehenden Ärztinnen und Ärzte beispielsweise von der Pflege und der Medizin gemeinsam unterrichtet. So lehren die jungen Studierenden von Beginn an, dass Pflege und Medizin mit dem gemeinsamen Ziel unterwegs sind, nämlich die Patienten zum richtigen Zeitpunkt mit den richtigen Massnahmen wirksam zu behandeln, und das auf gleicher Augenhöhe, aber aus verschiedenen Blickwinkeln. Dadurch wird das hierarchische Denken hinfällig, was die Pflege wie auch die Medizin stärkt.

Seit Kurzem sind Sie Präsidentin der Schweizer Paraplegiker-Stiftung. Im Mittelpunkt der Stiftung steht das Wohl von Menschen, die aufgrund schwerer Wirbelsäulen- und Rückenmarkschädigungen gelähmt sind. Was hat Sie bewogen, dieses Amt anzunehmen, und welche Ziele verfolgen Sie mit Ihrer neuen Tätigkeit?

Immer wieder hatte ich in meiner Berufslaufbahn Berührungspunkte mit der Schweizer Paraplegiker-Stiftung, als klinisch tätige Logopädin, als Gesundheitschefin und als Stiftungsrätin der Rega. Die Philosophie, den Betroffenen vom Akutereignis über die Rehabilitation bis hin zur Langzeitpflege ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen, hat mich schon immer fasziniert. Die Fachkompetenzen, die in allen Aus der ZeitschriftPflegerecht 3/2020 | p. 191–192 Es folgt Seite № 192Bereichen angeboten werden, die stete Suche nach Verbesserung und Weiterentwicklung waren für mich ebenfalls Motivation, dieses Amt anzunehmen. Im Fokus meines Wirkens stehen die Menschen und die Behandlungen sowie Hilfestellungen, die wirksam für sie greifen müssen. Im Bewusstsein, dass Stillstand Rückschritt bedeutet, ist es mir wichtig, neue Tendenzen frühzeitig zu erkennen, weitere Entwicklungen zu initiieren und die damit verbundene Umsetzung zu ermöglichen, sodass die Stiftung für die Betroffenen und Angehörigen Ansprechpartnerin Nummer eins ist.

Sollten Sie dereinst einmal selbst auf Pflege angewiesen sein, wie würden Sie sich eine adäquate Pflege für sich vorstellen?

Eine fachlich hochqualifizierte Pflege, die den Menschen im Mittelpunkt sieht, für die selbstbestimmtes Leben eine Selbstverständlichkeit ist und die Würde des Menschen immer prioritär voranstellt.

Das Interview führte

im Namen der Redaktion

der Zeitschrift «Pflegerecht»