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Aus der ZeitschriftPflegerecht 3/2023 | p. 158–160Es folgt Seite №158

Interview mit…

Petra Fischer Stv. Geschäftsführerin Careanesth AG, Dipl. Expertin Anästhesiepflege NDS HF

Liebe Frau Fischer, Sie sind stellvertretende Geschäftsführerin der Careanesth AG, eines Personaldienstleisters, der inzwischen mehr als 500 Institutionen im Schweizer Gesundheitswesen als Kunden hat und 10000 Pflegekräfte in verschiedenen Arbeitsmodellen betreut. Das Gesundheitswesen kennen Sie aus verschiedenen Perspektiven. Zum einen waren Sie in verschiedenen Spitälern und Funktionen tätig, unter anderem mehrere Jahre als Führungsperson. Zum anderen arbeiteten Sie selbst einmal als Temporärkraft.

Wie haben sich die Arbeitsmodelle in der Pflege gewandelt? Welche sind aus Ihrer Erfahrung heute besonders gefragt, und wie sieht es in Zukunft aus?

Flexibilität und Selbstbestimmung gewinnen an Bedeutung. Das verlangt nach Arbeitsmodellen, die den Mitarbeitenden die Vereinbarkeit von Freizeit, Familie und Beruf erlauben. Andererseits wollen die Institutionen bedarfsorientiert nur dann Einsätze planen, wenn diese auch benötigt werden. Für die Zukunft erwarten wir eine Zunahme der kurzfristigen Einsätze. Um dieser Entwicklung zu entsprechen, bieten wir Springer- und Poolmodelle an. Bei den Pools kennen wir verschiedene Modelle – diese entwickeln wir gemeinsam mit unseren Kunden, um massgeschneiderte Lösungen zur Verfügung zu stellen.

Pflegeinitiative, COVID, Fachkräftemangel, wie hat sich die Arbeit von careanesth in den vergangenen Jahren verändert?

In den vergangenen Jahren erhöhte sich der Bedarf an kurzfristigen Einsätzen ebenso wie die Nachfrage nach institutionsspezifischen Lösungen. Zudem spielt die Qualität der Dienstleistungen und der vermittelten Mitarbeitenden eine immer wichtigere Rolle.

Da immer mehr Temporäranbieter in den Markt drängen, intensiviert sich der Kampf um die Talente. Auch die Institutionen setzen alles daran, die Fachkräfte zu gewinnen beziehungsweise zu halten. Das trägt zu einer Zuspitzung der Situation bei, mit den entsprechenden Auswirkungen auf die Preise. Für uns bedeutet das, dass wir noch mehr Wert auf die Qualität unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, unserer Dienstleistungen und Prozesse legen. Wir entwickeln unser Angebot auch künftig kontinuierlich weiter, um die Attraktivität unserer Arbeitsmodelle – und damit die Attraktivität der Pflegeberufe – zu steigern.

Es gibt immer mehr Anbieter: Überbordet der Temporärmarkt im Gesundheitswesen?

Die Einstiegshürde in diesen Markt ist hoch, das Temporärgeschäft ist People’s Business. Im sensitiven Gesundheitsbereich zählen Know-how, Seriosität, Vernetzung und Vertrauen noch mehr als anderswo. Neueinsteiger brauchen viel, um sich langfristig zu etablieren. Für die Zukunft erwarten wir darum eine Abkühlung.

Es gibt auch kritische Stimmen zu der Arbeit der Temporärbüros. Hilft da eine stärkere Regulierung?

Der Temporärmarkt ist genügend reguliert. Noch mehr Vorschriften führen im Endeffekt zu höheren Kosten – das kann nicht im Interesse aller Partner sein. Aus unserer Sicht müssen wir den Fokus vermehrt auf die bereits erwähnte Qualität und die Optimierung der Arbeitsbedingungen richten.

Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen für den Arbeitsmarkt im Gesundheitswesen?

Die Konsequenzen des demografischen Strukturwandels waren voraussehbar. Vielleicht dachte man, es kommt schon irgendwie gut. Aber: Es kommt nicht gut, falls wir jetzt nicht gemeinsam handeln. Der Fachkräftemangel steht für careanesth zuoberst, mit unseren modernen Arbeitsmodellen können wir zentralen Punkten der Pflegeinitiative entsprechen. Freelancer-, Springer- und Poolmodelle erhöhen die Attraktivität der Pflegeberufe und senken damit die Ausstiegsquote gerade der Personen, für die die Vereinbarkeit von Familie, Freizeit und Beruf ein zentrales Anliegen darstellt.

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Punkto Attraktivität wurde und wird viel über die Löhne und die Arbeitsbelastung diskutiert.

Studien zeigen, dass die Löhne von Berufsabgängern im Gesundheitswesen schweizweit zu den höchsten gehören. Auch mit zunehmender Berufserfahrung sind die Löhne nach wie vor sehr attraktiv. Es sind andere Punkte, die dazu führen, dass die Pflegenden in grosser Zahl den Beruf verlassen. Die Arbeitsbedingungen, und insbesondere das nicht selbstbestimmte Arbeiten in fixen Diensten, stehen an oberster Stelle. Die Löhne weiter gegen oben anzupassen, lenkt von den eigentlichen Problemen ab und führt nicht zur Lösung des Problems, ganz im Gegenteil.

Da wir beim Lohn sind: Temporäre sollen bis zu 50% mehr verdienen als ihre fest angestellten Kolleginnen und Kollegen.

Diese Zahl stammt von einer renommierten Zeitung, ist relativ alt und wird dennoch ständig zitiert. Bei ihren Berechnungen kommt careanesth auf andere Werte: Vergleicht man die Löhne pro geleistetem Arbeitstag, so liegt der Unterschied bei rund 10% zugunsten der Temporären. Darin enthalten sind jedoch Entschädigungen für die Unsicherheit, einen Einsatz zu erhalten, die örtliche und zeitliche Flexibilität und die Kurzfristigkeit der Einsätze.

Institutionen bieten immer mehr eigene Poolmodelle an und flexibilisieren ihre Teams. Wie sehen Sie diese Konkurrenz?

Wir betrachten das nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung des Angebots. Für uns ist das eine Bestätigung. careanesth optimiert ihr Angebot weiter und beobachtet die Entwicklungen aufmerksam: Im Endeffekt stellt sich die Frage, ob sich ein Konzept, das sich bei uns über Jahrzehnte bewährt hat, einfach übertragen lässt oder ob es adaptiert werden muss. Und dann ist es nicht mehr das, was die Leute suchen.

Mit welchen Herausforderungen sind Institutionen beim Aufbau eigener Pools konfrontiert?

Der Fachkräftemangel wirkt sich auch auf die Besetzung der Pools aus. Zudem: Poolstrukturen sind erst ab einer gewissen Grösse effektiv. Kleinere Häuser verfügen oft nicht über genügend Ressourcen und Einsatzmöglichkeiten, um einen Pool alleine aufzubauen. Zudem ist die Allokation der Poolressourcen mit vielen kleinen Pooleinheiten für die Bekämpfung des Fachkräftemangels nicht zielführend. Wenn sich kleinere Häuser mit weiteren Institutionen zusammenschliessen möchten, um die Ressourcen gemeinsam nutzen zu können, dann braucht es eine Bewilligung zum Personalverleih, was wiederum mit zusätzlichem Aufwand und zusätzlichen Kosten verbunden ist. Für grosse Häuser bestehen die Herausforderungen vor allem in der Kommunikation, im massiv höheren Administrations- und Koordinationsaufwand sowie in der Berücksichtigung der Partikulärinteressen der Institutionen.

Beeinflusst die Annahme der Pflegeinitiative die Arbeit und die Angebote von careanesth?

Grundsätzlich liegt es im Interesse von careanesth, die Attraktivität der Pflegeberufe zu steigern. Dazu leisten wir auf mehreren Ebenen wichtige Beiträge: Die flexiblen Arbeitsmodelle helfen dabei, die Ausstiegsquote nicht nur zu senken, sondern die Wiedereinstiegsquote zu erhöhen. Viele Pflegekräfte wollen zurück in ihren erlernten Beruf, sofern ihre Einsätze mit ihrem aktuellen Lebensplan vereinbar sind. Ein weiterer Faktor zur Steigerung der Attraktivität und Verbesserung der Perspektiven ist die gezielte Weiterbildung: In dem Bereich bieten wir unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine breite Palette an Möglichkeiten in Zusammenarbeit mit temptraining. Apropos Zusammenarbeit: Die Pflegeinitiative fordert und fördert zeitgemässe Arbeitsmodelle, insbesondere Pools – hier arbeitet careanesth als Experte auch mit den verantwortlichen Stellen bei Bund und Kantonen zusammen. Grundsätzlich sind wir offen für jede Art von Kooperation, um optimale Lösungen für das Schweizer Gesundheitswesen gemeinsam zu entwickeln.

Bestehen weitere Kontakte zu Behörden und Ämtern im Sinne der Pflegeinitiative?

Wir stehen auch abseits der Pflegeinitiative im intensiven Kontakt mit verschiedenen Berufsverbänden und Arbeitgebervereinigungen.

Verändert die Umsetzung der Pflegeinitiative die Zusammenarbeit mit den Pflegeinstitutionen?

Genau betrachtet setzen wir mit unserer Arbeit die Forderungen der Pflegeinitiative schon lange um – das ist der Kern unseres Geschäfts. Hier liegen unsere Wurzeln. Mit unseren Springer-, Freelancer- und vor allem Poolmodellen ermöglichen wir von jeher die Flexibilität der Arbeit, die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Freizeit. So halten wir die Pflegeberufe attraktiv, verringern die Ausstiegs- und erhöhen die Wiedereinstiegsquote. Wie jetzt gesetzlich gefordert, fördern wir den Aufbau von Pools und begleiten unsere Kunden von der Konzeption bis zur Realisation massgeschneiderter Lösungen. In diesem Bereich verfügen wir über jahrelange Erfahrung und das unabdingbare Know-how, auf das jetzt selbst die Umsetzungsorgane der Pflegeinitiative zurückgreifen.

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Die Vermittler temporärer Pflegefachkräfte als wichtiger Faktor bei der Umsetzung der Initiative?

Wenn sie wie careanesth ihre Verantwortung im Sinne der Initiative wahrnehmen, trifft das sicherlich zu. Denn unsere Arbeit hat, wie erwähnt, einen Einfluss auf sämtliche Aspekte sowie alle Akteure des Gesundheitswesens und nicht zuletzt auf die Patientinnen und Patienten. Nicht nur punkto Pools ist careanesth Vorreiter und Wegbereiter.

Welche neuen Anforderungen kommen auf careanesth zu?

Zurzeit beschäftigen wir uns mit der Datenlieferung für die Spitalstatistiken sowie nationale Forschungsarbeiten. Wir setzen uns intensiv mit den Governance-Regeln für Temporäragenturen auseinander, etwa Qualitätsvorgaben und interne Kontrollorgane. Wir engagieren uns in der Forschung, zum Beispiel im Kontext von SWIFT oder Crowis. careanesth wird künftig noch enger mit Institutionen, Verbänden und Pflegefachkräften kooperieren, um Lösungen zum Vorteil des Schweizer Gesundheitswesens zu entwickeln.

Das Interview führte

im Namen der Redaktion

der Zeitschrift «Pflegerecht».